Shutdown in der Corona-Krise: juristische Handhaben bei Lieferausfällen
Die Corona-Krise ist weltweit ein schwerer Schock. Die Pandemie bewegt sich wie eine Welle in ost-westlicher Richtung, die in China begann und zurzeit ihren Scheitelpunkt in Europa und den USA hat.
Der zur Eindämmung der Neuinfektionen verhängte Shutdown hat weitreichende und unmittelbare Wirkungen auf die Wirtschaft. Geschäftsführer stehen unter großem Entscheidungs- und Handlungsdruck: Innerbetrieblich müssen sie ihrer Fürsorge- und Präventionspflicht nachkommen, insbesondere Homeoffice-Lösungen finden, einen Pandemieplan für das Unternehmen aufstellen und diesen laufend aktualisieren. Gleichzeitig werden sie zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit aufs Äußerste gefordert.
Welche Ansprüche bestehen auf der Beschaffungsseite gegenüber Lieferanten? Welche Verpflichtungen bestehen auf der Absatzseite?
Dafür kommt es auf die jeweiligen vertraglichen Grundlagen im Einzelfall an. Wesentlich ist zum einen, welches Recht auf den Vertrag anwendbar ist (UN-Kaufrecht, deutsches Recht oder das Recht einer anderen Rechtsordnung) und ob – wie oft in internationalen Verträgen – eine sogenannte Force-Majeure-Klausel (Höhere Gewalt) vereinbart ist. Zum anderen ist anhand des jeweiligen Vertrags festzustellen, ob Vertragsstrafen oder Liefergarantien vereinbart sind.
Wer trägt das Risiko des Ausfalls von Lieferungen?
Nach deutschem Recht gilt grundsätzlich, dass der Leistende von seiner Lieferverpflichtung frei wird, wenn die Leistung schlechthin, also für jedermann, oder individuell für den Schuldner unmöglich geworden ist. Die Unmöglichkeit kann vorübergehend oder endgültig sein. Ein vorübergehendes Leistungshindernis hat zur Folge, dass der Schuldner nicht leisten muss, solange das Leistungshindernis andauert. Im Gegenzug entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung.
Ist zwar die Leistung nicht unmöglich, erfordert aber für den Schuldner einen Aufwand, der in einem groben Missverhältnis zu dem Interesse des Gläubigers an der Leistung steht, kann er insoweit die Leistung verweigern. Ob dies der Fall ist, ist im jeweiligen Einzelfall unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben festzustellen.
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann eine Anpassung des Vertrags in Betracht kommen. Sie kann verlangt werden, wenn eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Das ist der Fall, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nachträglich verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Auch dafür kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an. Es ist anhand der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung zu ermitteln, ob einem Vertragspartner das Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Gibt es Schadensersatzansprüche?
Schadensersatzansprüche wegen einer Verzögerung oder dem Ausfall der Leistung sind nach deutschem Recht an das Verschulden des Nichtleistenden gekoppelt. Da die Pandemie ein globales Problem ist, bei dem es keine generellen Verantwortlichkeiten gibt, kommt es auch in diesem Zusammenhang auf den Einzelfall an.
Wenn in dem Vertragswerk eine Force-Majeure-Klausel vereinbart ist, ist entscheidend, ob sich der lieferverpflichtete Vertragspartner also auf höhere Gewalt berufen kann. Da dieser Rechtsbegriff im deutschen Kaufrecht nicht vorkommt, ziehen die deutschen Gerichte bei der Auslegung von Force-Majeure-Klauseln das UN-Kaufrecht heran (Art. 79 CISG). Danach hat eine Vertragspartei für die Lieferverzögerung nicht einzustehen, wenn sie beweist, dass die Nichterfüllung auf einem Hinderungsgrund beruht, der außerhalb ihres Einflussbereichs liegt, sie ihn bei Vertragsschluss nicht in Betracht ziehen konnte, und dass es außerhalb ihrer Macht stand, den Hinderungsgrund und seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.
Handlungsempfehlung für die Praxis
Die Komplexität der anzuwendenden Rechtsbegriffe zeigt, dass es einer genauen Analyse der Vertragsbeziehungen und des Sachverhalts bedarf, um eine Strategie im jeweiligen Einzelfall zu entwickeln. Wichtig für die Praxis ist, den Vertragspartner rechtzeitig und offen über die Lieferschwierigkeiten zu informieren. Das ist zum einen rechtlich geboten, da anderenfalls Schadensersatzansprüche des Vertragspartners entstehen können. Nicht zuletzt ist zum anderen aber die Kommunikation in den Lieferbeziehungen die Grundlage dafür, im Konsens mit den Geschäftspartnern Lösungen zur Überwindung der Krise zu finden.